Neues Urteil sorgt für Unruhe
Ein aktuelles Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) zum Thema Erbschaftsteuer versetzt viele mittelständische Unternehmen in Deutschland in Alarmbereitschaft. Nach dieser Entscheidung verlieren zahlreiche Betriebe, darunter Hotels, Pensionen und Parkhäuser, den bisherigen Schutz vor der Erbschaft- und Schenkungsteuer. Experten warnen vor erheblichen Konsequenzen für den Mittelstand und die gesamte deutsche Wirtschaft.
Professor Rainer Kirchdörfer von der Stiftung Familienunternehmen und Politik betont die besondere Brisanz für Unternehmen, die Immobilien an Dritte vermieten. Diese Betriebe müssen nun mit einer deutlich höheren Steuerlast rechnen. Betroffen sind nicht nur Hotels und Parkhäuser, sondern auch Alten- und Pflegeheime.
Veränderte Regeln bei der Erbschaftsteuer verschärfen die Situation
Bisher profitierten viele Unternehmen von großzügigen Verschonungsregeln, die verhindern sollten, dass Erbschaft- oder Schenkungssteuer eine existenzielle Bedrohung darstellen. Diese Regeln schützten insbesondere Betriebe mit hohen Schulden oder Außenständen, die nicht verrechnet werden konnten. Der Gesetzgeber hatte dafür zwei Verschonungsregelungen geschaffen:
- Regelverschonung: Hier konnten Unternehmer 85 Prozent ihres Betriebsvermögens steuerfrei übertragen, sofern das Verwaltungsvermögen weniger als 50 Prozent ausmachte. Die Bedingungen verlangten außerdem, dass der Betrieb mindestens fünf Jahre weitergeführt wird und die Lohnsumme in diesem Zeitraum mindestens 400 Prozent der durchschnittlichen Lohnsumme der letzten fünf Jahre beträgt. Für kleine Betriebe mit bis zu 20 Beschäftigten galt die Lohnsummenregelung nicht.
- Optionsverschonung: Diese Regelung ermöglichte eine vollständige Steuerbefreiung, wenn das Verwaltungsvermögen unter zehn Prozent lag und der Betrieb mindestens sieben Jahre lang weitergeführt wurde. In diesem Zeitraum musste die Lohnsumme mindestens 700 Prozent der durchschnittlichen Lohnsumme der letzten fünf Jahre betragen.
Das Verwaltungsvermögen umfasst Vermögenswerte, die für den Betrieb nicht zwingend erforderlich sind, wie vermietete Immobilien, Aktien oder Kunstgegenstände. Diese Vermögenswerte gelten steuerlich als nachteilig und fallen nicht unter die Verschonungsregelungen.
BFH-Urteil zur Erbschaftsteuer als „Katastrophe“ für betroffene Unternehmen
Professor Kirchdörfer bewertet das BFH-Urteil vom 28. Februar 2024 als verheerend für den deutschen Mittelstand. Der Bundesfinanzhof entschied im Fall eines Parkhauses, dass Vermögenswerte wie Hotels, Pensionen und Parkhäuser nicht länger von den bisherigen Steuererleichterungen profitieren dürfen. Auch das Vermieten von Zimmern in Beherbergungsbetrieben, Stellplätzen auf Campingplätzen und Räumen in Gaststätten fällt nun nicht mehr unter die steuerlichen Begünstigungen. Kirchdörfer warnt, dass diese Entscheidung auf alle vergleichbaren Fälle angewendet wird, es sei denn, die Finanzverwaltung verabschiedet einen sogenannten Nichtanwendungserlass.
Diese Unsicherheit könnte viele Unternehmer dazu veranlassen, die Übertragung von Vermögen auf die nächste Generation zunächst zu verschieben. Für Unternehmen, deren Vermögen überwiegend aus vermieteten Immobilien besteht, könnte das erhebliche finanzielle Schwierigkeiten verursachen.
Zunehmende Unsicherheit im Mittelstand
Die Unsicherheit bei potenziellen Unternehmensnachfolgern nimmt zu, wie eine Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) zeigt. Mittlerweile erwägen 28 Prozent der Betriebe ihre Schließung, was einen Anstieg um drei Prozentpunkte im Jahr 2023 bedeutet. Der Hauptgrund liegt häufig darin, dass keine geeignete Nachfolge gefunden wird.
Kirchdörfer fordert deshalb eine rasche Klarstellung von der Finanzverwaltung: „Ich appelliere an die Finanzverwaltung, einen Nichtanwendungserlass zu veröffentlichen.“ Damit würde sichergestellt, dass das Urteil nur auf den konkret entschiedenen Fall angewendet wird.
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