Gehaltsverzicht und Gehaltsstundung für GmbH-Geschäftsführer: Wie Sie die Lohnsteuerpflicht verschieben und die Liquidität Ihrer Gesellschaft schonen können.
Einleitung
Als Geschäftsführer einer deutschen GmbH tragen Sie nicht nur die Verantwortung für das operative Geschäft, sondern auch für die finanzielle Gesundheit Ihres Unternehmens. In Zeiten knapper Liquidität stellt sich häufig die Frage, wie Sie persönlich dazu beitragen können, finanzielle Engpässe zu überbrücken. Eine Möglichkeit ist der Verzicht auf die Auszahlung Ihres Gehalts oder die Verschiebung des Auszahlungszeitpunkts. Doch welche steuerlichen Konsequenzen hat dies? Kann die Lohnsteuerpflicht dadurch ebenfalls verschoben werden? In diesem Beitrag beleuchten wir die rechtlichen Rahmenbedingungen und geben praktische Tipps.
Das Zuflussprinzip nach § 11 Abs. 1 EStG
Grundsätzlich bestimmt § 11 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) das sogenannte Zuflussprinzip. Demnach sind Einnahmen in dem Kalenderjahr zu versteuern, in dem sie dem Steuerpflichtigen zufließen. Für Arbeitnehmer bedeutet dies, dass die Lohnsteuer zu dem Zeitpunkt einbehalten und abgeführt werden muss, in dem der Arbeitslohn ausgezahlt oder gutgeschrieben wird.
Für Geschäftsführer einer GmbH gilt dieser Grundsatz ebenfalls. Besonders bei Gesellschafter-Geschäftsführern prüft das Finanzamt genau, ob ein tatsächlicher Zufluss von Arbeitslohn stattgefunden hat. Selbst ohne tatsächliche Auszahlung kann ein Zufluss angenommen werden, wenn der Geschäftsführer über den Betrag verfügen kann, beispielsweise durch Gutschrift auf einem Verrechnungskonto.
Verzicht auf Gehaltsauszahlung
Ein wirksamer Gehaltsverzicht kann bewirken, dass kein Zufluss von Arbeitslohn stattfindet und somit keine Lohnsteuer anfällt. Folgende Bedingungen müssen dafür erfüllt sein:
- Schriftliche Vereinbarung vor Fälligkeit: Der Verzicht muss vor Entstehung des Gehaltsanspruchs schriftlich vereinbart werden. Nachträgliche Vereinbarungen sind steuerlich unwirksam.
- Endgültigkeit des Verzichts: Der Verzicht muss endgültig sein. Es darf keine Absicht bestehen, das Gehalt zu einem späteren Zeitpunkt nachzuzahlen.
- Keine Gegenleistung: Es darf keine Gegenleistung oder Kompensation für den Verzicht vereinbart werden.
Steuerliche Auswirkungen:
- Keine Lohnsteuerpflicht: Da kein Zufluss von Arbeitslohn erfolgt, entsteht keine Lohnsteuerpflicht.
- Keine Sozialversicherungsbeiträge: Auch sozialversicherungsrechtlich gilt der Verzicht als kein beitragspflichtiges Entgelt.
Wichtig: Die Vereinbarung muss einem Fremdvergleich standhalten, d. h., sie muss so gestaltet sein, wie es zwischen unabhängigen Dritten üblich wäre.
Verschiebung des Auszahlungszeitpunkts (Gehaltsstundung)
Alternativ zum vollständigen Verzicht können Sie den Auszahlungszeitpunkt Ihres Gehalts vertraglich verschieben. Diese Gehaltsstundung ermöglicht es, die Liquidität der GmbH zu schonen, ohne auf den Gehaltsanspruch zu verzichten.
Voraussetzungen:
- Vorherige Vereinbarung: Die Verschiebung muss vor Fälligkeit des Gehaltsanspruchs schriftlich festgelegt werden.
- Klare Festlegung: Der neue Fälligkeitszeitpunkt muss eindeutig und verbindlich bestimmt sein.
- Fremdüblichkeit: Die Stundungsvereinbarung muss unter Bedingungen erfolgen, die auch zwischen fremden Dritten vereinbart würden.
Steuerliche Auswirkungen:
- Verschiebung der Lohnsteuerpflicht: Die Lohnsteuer fällt erst im Zeitpunkt des tatsächlichen Zuflusses an.
- Sozialversicherung: Die Beitragspflicht in der Sozialversicherung richtet sich ebenfalls nach dem Zuflussprinzip.
Rechtliche Fundstellen und Urteile
- § 11 Abs. 1 EStG: Regelt das Zuflussprinzip für Einnahmen.
- BFH-Urteil vom 24. August 2011 (Az.: VI R 38/10): Der Bundesfinanzhof entschied, dass eine Verschiebung des Auszahlungszeitpunkts steuerlich anerkannt werden kann, wenn die Vereinbarung rechtzeitig und fremdüblich getroffen wurde.
- BMF-Schreiben vom 19. Mai 2015 (BStBl I 2015, S. 468): Das Bundesministerium der Finanzen erläutert die Grundsätze zum Zeitpunkt des Zuflusses von Arbeitslohn.
- § 42 Abgabenordnung (AO): Verhindert Gestaltungsmissbrauch. Maßnahmen dürfen nicht ausschließlich zur Steuervermeidung dienen.
Risiken und Vorsichtsmaßnahmen
Gestaltungsmissbrauch:
Das Finanzamt kann einen Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO annehmen, wenn die Vereinbarungen ausschließlich der Steuervermeidung dienen und keinem wirtschaftlichen Zweck entsprechen. Um dies zu vermeiden:
- Wirtschaftliche Gründe: Dokumentieren Sie die wirtschaftlichen Gründe für den Gehaltsverzicht oder die Stundung, wie z. B. Liquiditätsschwierigkeiten.
- Fremdvergleich: Stellen Sie sicher, dass die Vereinbarungen unter Bedingungen erfolgen, die auch zwischen unabhängigen Dritten gelten würden.
Sozialversicherungsrechtliche Aspekte:
- Beitragsfreiheit: Bei einem endgültigen Gehaltsverzicht entfallen die Sozialversicherungsbeiträge.
- Beitragspflicht bei Stundung: Bei Gehaltsstundung können unter Umständen dennoch Sozialversicherungsbeiträge fällig werden. Eine genaue Prüfung ist erforderlich.
Formelle Anforderungen:
- Schriftform: Alle Vereinbarungen müssen schriftlich festgehalten werden.
- Zeitpunkt: Die Vereinbarungen müssen vor Fälligkeit des Gehaltsanspruchs getroffen werden.
Empfehlungen für die Praxis
- Professionelle Beratung: Ziehen Sie einen Steuerberater hinzu, um die rechtlichen und steuerlichen Konsequenzen individuell zu prüfen.
- Dokumentation: Dokumentieren Sie alle Schritte und bewahren Sie die Unterlagen sorgfältig auf.
- Verbindliche Auskunft: Bei Unsicherheiten können Sie eine verbindliche Auskunft beim Finanzamt einholen.
- Regelmäßige Überprüfung: Überprüfen Sie regelmäßig die getroffenen Vereinbarungen im Hinblick auf aktuelle Gesetzesänderungen und Rechtsprechung.
Fazit
Der Verzicht auf die Gehaltsauszahlung oder die Verschiebung des Auszahlungszeitpunkts kann ein effektives Mittel sein, um die Liquidität Ihrer GmbH zu verbessern und die Lohnsteuerpflicht zeitlich zu verschieben. Es ist jedoch essenziell, die strengen rechtlichen Voraussetzungen zu erfüllen und mögliche Risiken zu berücksichtigen. Eine sorgfältige Planung und professionelle Beratung sind unerlässlich, um steuerliche Nachteile oder rechtliche Probleme zu vermeiden.
Hinweis: Dieser Beitrag dient der allgemeinen Information und stellt keine steuerliche Beratung dar. Für individuelle Fragen und die Umsetzung der beschriebenen Möglichkeiten sollten Sie sich an einen qualifizierten Steuerberater wenden.
Quellen
- § 11 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG)
- Bundesfinanzhof (BFH), Urteil vom 24. August 2011, Az.: VI R 38/10
- BMF-Schreiben vom 19. Mai 2015, BStBl I 2015, S. 468
- § 42 Abgabenordnung (AO)
- Lohnsteuer-Richtlinien (LStR), R 38.2